Mit unserer Interview-Serie »10 Fragen mit…« möchten wir euch eine Reihe von Acts aus dem diesjährigen Programm von Pop-Kultur vorstellen, die unbedingt einen Platz in euren Playlists und Herzen verdient haben. Auf SADO OPERA folgt diese Woche das Duo MADANII & LLUCID.
- Wie habt ihr euch kennengelernt und was war eure Motivation, miteinander Musik zu machen?
MADANII: Wir haben uns eigentlich total zufällig gefunden. Ich habe 2016 in der Uni-Facebook-Gruppe nach Tipps zu guten Kopfhörern gefragt und LLUCID hat sich gemeldet. Am nächsten Tag habe ich herumgefragt, wer Bock hat mit mir an MADANII zu arbeiten und schon wieder hat sich keine*r gemeldet außer LLUCID. Und da wir uns eh schon kannten und er ein »Sandcastles«-Beyoncé-Cover von mir auf Soundcloud gehört hatte und das ganz cool fand, haben wir das dann gemacht.
- Eure Musik ist stilistisch sehr abwechslungsreich und vielseitig, ihr bringt offensichtlich viele verschiedene Einflüsse mit. Was ist zwischen euch beiden Minimalkonsens – welche Künstler*innen, Alben, Songs gehen immer?
LLUCID: Gut, dass ihr fragt! Wir haben letztens erst eine Playlist mit unseren Lieblings-Tracks gemacht, die unseren Minimalkonsens ziemlich gut beschreibt. Wir nennen sie MiiLLkshake! Ich denke, grundsätzlich haben wir uns über die letzten drei bis vier Jahren musikalisch ziemlich aufeinander zubewegt. Wir haben aber natürlich beide unsere persönlichen Favoriten und Genres, aber Künstler*innen wie FKA twigs, Hiatus Kaiyote oder Col3trane finden wir schon beide ziemlich
nice!
- Eure Tracks sind gleichermaßen clubkompatibel, wie sie weitestgehend Pop-Strukturen folgen. Wo und in welcher Situation sollte eure Musik am besten gehört werden?
MADANII: Am besten sollten die Songs da gehört werden, wo die Hörer*innen sie gerade eben hören wollen. Das kann ja für jede*n ganz unterschiedlich sein.
- MADANII bringt traditionell persische Elemente in den Gesang ein, die nicht selten auch in der Musik ihre Entsprechung finden. Wieso räumt ihr diesen traditionellen Elementen dermaßen viel Platz in einem sonst sehr zeitgenössischen Sound ein?
MADANII: Eine Frage, die mich unter anderem dazu bewegt hat, mit MADANII anzufangen, war: Wieso können persische Elemente nicht auch Teil eines zeitgenössischen Sounds sein? Unser Vorhaben war von Anfang an, genau diese Elemente als gleichberechtigtes musikalisches Ausdrucksmittel zu betrachten, statt als »exotische« Fremdkörper. Popkultur ist dynamisch und kann ganz verschiedene Ausprägungen annehmen. Musikalische Elemente meiner iranischen Herkunft in unsere Musik mit einzubauen, ist für mich absolut kein Widerspruch.
- Für die Single »Sober« zum Beispiel arbeitet ihr mit dem Volkslied »Jāne Maryam«. Welche Funktion hat das Stück, das dem Song als Intro vorgestellt ist, für euch?
MADANII: Volkslieder sind die musikalisch prägendste Verbindung, die ich zum Iran habe. »Jāne Maryam« beispielsweise gehört den beliebtesten und bekanntesten dieser Lieder und man wird kaum Iraner*innen finden, die es nicht kennen. Als wir gerade an unserer EP »IILLEGAL ALLIIEN« geschrieben haben, habe ich an einem Abend den Anfang von »Jāne Maryam« vor mir hergesungen. Aus Spielereien mit dieser Aufnahme ist letztendlich der Song »Sober« entstanden. Es hat also nur Sinn ergeben, eben diesen Ausschnitt des Volksliedes, der die Basis für »Sober« gebildet hat, dem Song voran zu stellen.
- Eure Videos sind extrem aufwändig gestaltet. Warum spielt die visuelle Komponente für euch eine dermaßen große Rolle?
LLUCID: Wir lieben es, uns kreativ auszuleben und dazu gehört für uns auch immer die visuelle Ebene. Nicht nur bezogen auf die Videos, sondern auch auf Artworks, Fotos und Merch. Sie erlaubt es uns, die Aussage des jeweiligen Songs hervorzuheben, kann dem Song sogar ganz neue Facetten geben und hilft uns unsere Vision sowohl inhaltlich wie visuell an die Hörer*innen weiterzugeben. Videos sind immer extrem aufwändig zu planen und durchzuführen, vor allem als Indie-Artist mit Geldmangel. Durch sie aber lernen wir auch immer wieder neue kreative Köpfe kennen und gerade dieser Austausch macht einfach extrem Bock. Wir wurden schon mehrfach davon überrascht, wie andere Beteiligte unsere Songs teilweise interpretiert haben und was für Ideen dabei herauskamen.
- »WVTERWINE« verwendet christliche Ikonografie und spielt mit katholischen Praktiken, die auf den ersten Blick im Kontrast zur Musik stehen. Was war die Idee dahinter?
MADANII: »WVTERWINE« handelt generell von Machtdynamiken, denen sich bereitwillig ergeben wird. Das kann von gesamtgesellschaftlichen Strukturen bis hin zu Beziehungsdynamiken oder eben institutionalisierter Religion alles sein. Da die christliche Ikonografie in der westlichen Welt, in der wir ja primär stattfinden, am geläufigsten ist, haben wir hierin die effektivste Möglichkeit gesehen unsere Aussage visuell aufzugreifen, da auch schon in den Lyrics mit christlicher Symbolik gespielt wird. Das bildet allerdings nur eines von mehreren Elementen, welche die vorherrschenden Machtdynamiken in unserer Gesellschaft visuell darstellen sollten. Auch das damit zusammenhängende Patriarchat und unsere Abhängigkeit von Technologie wurden im Video umgesetzt.
- Der Titel euer Debüt-EP lautet »IILLEGAL ALLIIEN« und kann auf mehrere Arten verstanden werden. Welche Themen werden auf den Songs verhandelt?
LLUCID: Uns war bewusst, dass der Titel auf mehrere Arten verstanden werden kann und das soll er auch. Jede*r kennt Situationen, in denen er*sie sich nicht zugehörig fühlt und diese können ganz unterschiedlich aussehen. In den Songs geht es sowohl um soziale als auch um persönliche. Während »WVTERWINE« gesamtgesellschaftliche Problematiken aufgreift, geht es in unserem Song »Sober« um das Gefühl, sich selbst in dem zu verlieren, was man sich aufbürdet, sich zu überarbeiten und die Kontrolle zu verlieren.
MADANII: Gleichzeitig findet sich meine ganz konkrete Erfahrung als Mensch mit Migrationshintergrund in Deutschland aufzuwachsen sowohl inhaltlich als auch musikalisch auf der EP wieder. Die iranischen Elemente, wie um Beispiel mein Gesang auf Farsi auf dreien der sieben Tracks, können zusätzlich dazu führen dass die EP als Ganzes als »IILLEGAL ALLIIEN«, also als fremdartig und vielleicht sogar unerwünscht gewertet wird und somit als Spiegel unserer Normvorstellungen in der etwa Musikwirtschaft dient.
- Was können wir dieses Jahr von eurem Beitrag zu Pop-Kultur in diesem Jahr erwarten?
LLUCID: Auf jeden Fall neue Songs! Wir arbeiten gerade an unserer zweiten EP, die im September erscheinen soll und freuen uns schon darauf einige neue Stücke bei Pop-Kultur zu präsentieren.
- Was wünscht ihr euch für die Zukunft dieser Welt?
LLUCID: Einen bewussteren Umgang mit dieser Welt und allem, was darauf so lebt.